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"Silicon Saxony"

Innovationsschub für Sachsen

Hundert Millionen Euro will eine britische Firma in Sachsens Landeshauptstadt investieren. Die Halbleiter aus Kunststoff, die in Dresden gebaut werden sollen, gelten als zukunftsträchtige Erfindung. Erst vor sechs Jahren hatten drei Wissenschaftler den Nobelpreis bekommen, weil sie Plastik dazu brachten, Strom zu leiten. Eines Tages könnten solche billigen Chips auch die teure Silizium-Produktion ersetzen.
Dornröschen ist aufgewacht
Vom "Tal der Ahnungslosen" zu "Silicon Saxony":
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Die Fabrik steht nicht weit vom Dresdner Flughafen. Im Dunkel der Nacht ist sie nur als ein Gebirge von roten Punkten zu identifizieren. Innen sieht man Menschen in weißen Schutzanzügen hantieren - kein Zweifel: Hier wird Zukunftsträchtiges produziert. Die beiden Werke des amerikanischen High-Tech-Konzerns AMD, der Mikro-Prozessoren für Computer herstellt, gelten mittlerweile als Symbol für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Elbestadt: Nirgendwo sonst in Deutschland werden so viele wichtige Produkte für die PC-Branche gefertigt wie in Dresden. Die Region gilt neben dem amerikanischen Silicon Valley, Japan, Taiwan und Korea mittlerweile als einer der fünf wichtigsten Chipstandorte in der Welt, weshalb das US-Magazin Times auch schon den Namen "Silicon Saxony" für die sächsische Metropole prägte.
Ein halbes Dutzend High-Tech-Werke bilden den Grundstock für den wundersamen Aufstieg an der Elbe. Da ist zunächst der Halbleiter-Hersteller Advanced Micro Devices (AMD), der in Dresden mittlerweile zwei Fabriken betreibt, dazu ein Forschungszentrum; knapp fünf Milliarden Euro will das Unternehmen in den nächsten Jahren in den Standort investieren. Etwa 2500 Mitarbeiter beschäftigt AMD zurzeit in Dresden. Der örtliche Geschäftsführer des Unternehmens, Hans-Raimund Deppe, lobt vor allem ihren Fleiß und ihre Präsizision. Dresden sei "eine einzige Erfolgsstory" für AMD, so Deppe: "Noch nie hat die Chiplieferung so pünktlich, reibungslos und sauber geklappt wie in der Zeit, seit der Standort Dresden eröffnet wurde", berichtet er.
Neben AMD prägen Firmen wie der Chip-Hersteller Infineon die Dresdner High-Tech-Landschaft, ebenso der Speicherchip-Produzent Qimonda. Insgesamt zählt die High-Tech-Branche in Sachsen rund 700 Betriebe mit etwa 20.000 Beschäftigten. Beinahe die Hälfte davon, rund 9000 Menschen, werden nach dem Endausbau der Chipfabriken allein im Raum Dresden tätig sein, noch einmal etwa 2000 Beschäftigte haben in der nahegelegenen Erzgebirgsstadt Freiberg eine Anstellung. Dort hat sich unter anderem die Solarworld-Gruppe angesiedelt, auch das Siltronic-Werk ist in der Halbleiterbranche aktiv.
Die märchenhafte Erfolgsstory des "Silicon Saxony" wäre wohl nicht denkbar ohne einen Altbetrieb aus DDR-Zeiten, dessen Hauptprodukt noch zu Beginn der 90er Jahre als "begehbares Chipmuseum" belächelt wurde: das Zentrum für Mikroelektronik Dresden, kurz ZMD genannt. Einstmals war der Betrieb Teil eines DDR-Kombinats gewesen. Als alles nach der Wiedervereinigung zusammenbrach, steckte die sächsische Landesregierung viel Geld in die Erhaltung des Unternehmens - das zahlte sich aus.
ZMD wurde die Kernzelle einer neuen Entwicklung. Mehr als eine Milliarde Euro hat der Freistaat an Fördermitteln in den Aufbau seiner Mikro-Elektronik-Industrie gesteckt. Hinzu kamen Gelder aus anderen Quellen sowie Eigenmittel der Unternehmen - alles in allem belaufen sich die Investitionen in den Halbleiterbereich nach einer Mitteilung aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium heute auf neun Milliarden Euro.
Die jetzt angekündigte Investition des britischen Unternehmens Plastic Logic Ltd. ist für Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) denn auch eine Bestätigung, "dass der Mikrochipstandort Sachsen weltweit in der ersten Liga mitspielt". Dass der britische Hersteller von flexiblen Plastik-Displays Dresden bei seiner Standortentscheidung den Vorzug gegenüber Singapur gegeben habe, wertet Jurk überdies als Anerkennung "der hohen Qualifikation und Leistungsbereitschaft" der Arbeitskräfte in Sachsen. Tatsächlich spielt die gute Grundausbildung der Mitarbeiter offenbar eine große Rolle. Überdies loben Firmenchefs das unkomplizierte Genehmigungsprozedere in Sachsen: "Wir haben hier ein sehr geringes Maß an Bürokratie erfahren", sagt etwa der AMD-Geschäftsführer Deppe.

Freilich waren nicht alle Ansiedlungen in Dresden unproblematisch. So wurde etwa um die Gläserne Manufaktur des VW-Werks monatelang in der Elbestadt kontrovers diskutiert. Heute gilt auch sie als ein Monument des Aufschwungs, wenngleich die Geschäfte mit dem Luxuswagen "Phaeton", der hier montiert wird, nicht immer glänzend liefen. Last not least spielen in Dresden neben der bestens ausgebauten Infrastruktur im Bereich von Straßen und öffentlichen Nahverkehr immer stärker auch die sogenannten "weichen Faktoren" eine Rolle. So ziehen die wideraufgebauten barocken Prunkbauten in der Innenstadt, deren Mittelpunkt die Frauenkirche bildet, nicht nur immer stärker Touristen an. Auch für Firmenansiedlungen gelten derlei Attraktionen als Pluspunkte.

So attraktiv ist der Standort Dresden, dass es vergangenes Jahr sogar gelang die marode Wohnungsbaugesellschaft Woba gewinnbringend an eine amerikanische Investmentgesellschaft zu verkaufen, auch wenn diese Entscheidung durchaus umstritten war. Seither ist die Stadt schuldenfrei, weshalb westdeutsche Kommunen bereits neidisch nach Dresden schauen.
Nur mit ihrem Bürgermeister hat die Elbmetropole Pech: Nach einer Verurteilung wegen Vorteilsnahme im Amt ist Ingolf Roßberg seit Monaten vom Dienst suspendiert.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 4. Januar  2007     

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